Maschinenbau: Es läuft nicht mehr rund in Deutschlands Kernbranche
Die Zahl der Auftragseingänge schrumpft. Nicht die einzige Entwicklung, die dem Maschinenbau Sorgen macht.
Das ist nicht nur eine kurzfristige Flaute, das braut sich zu einem Sturm zusammen: Fünf Monate in Folge schrumpften die Auftragseingänge im Maschinenbau. Verglichen mit 2018 summiert sich der Rückgang bereits auf minus 11 Prozent, gab der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. (VDMA) bekannt. Schuld seien sowohl ein schwaches Inlandsgeschäft (minus 15 Prozent) als auch fehlende Bestellungen aus dem Ausland (minus 9 Prozent). „Angesichts der bis zuletzt rückläufigen Konjunktur-Frühindikatoren sowie der ständigen Störungen aus dem politischen Umfeld überrascht das Ergebnis nicht wirklich“, erläuterte VDMA-Chefvolkswirt Dr. Ralph Wiechers.
Tatsächlich muss der Maschinen- und Anlagenbau – traditionell eine erfolgsverwöhnte und wohlstandssichernde Branche – mit einigen Feinden zurechtkommen.
Knapp 233 Milliarden Euro Umsatz machte die Maschinenbau-Branche vergangenes Jahr, und noch immer hat die Mehrheit der Unternehmen volle Auftragsbücher. Einige berichten aber bereits von Stornierungen und schrumpfendem Interesse. Für achteinhalb Monate Auslastung sorgen die Aufträge noch, erklärte der VDMA im April. Zahlen: VDMA, Infografik: BARDO e.V., Hintergrundbild: Unsplash.com
Protektionismus und Handelsstreit
Seit einigen Jahren bereits richten einige Länder immer höhere Handelsbarrieren auf – wir wissen dies aus den USA, aber auch China, Russland und Brasilien liefern Anlass zur Sorge, lässt der VDMA wissen. Der weltweit steigende Protektionismus trifft den deutschen Maschinenbau mehrfach: Die Branche ist äußerst exportbezogen, mehr als die Hälfte der Exporte gehen zudem an Länder außerhalb des EU-Binnenmarktes. Ohne offene Märkte werden die Warenflüsse kompliziert und teuer – und stellen letztlich die Wettbewerbsfähigkeit in Frage, Qualität hin oder her. Gleichzeitig hat der Maschinen- und Anlagenbau eine Schlüsselrolle: Er vergibt wiederum Aufträge an hunderte Zulieferer, ist Triebkraft von Innovation, bildet traditionell Nachwuchskräfte aus und ist mit rund 1,05 Millionen Beschäftigten größter industrieller Arbeitgeber hierzulande.
„Vor allem mittelständische Unternehmen haben kaum eine Chance, Handelshemmnisse beispielsweise durch den Aufbau von Produktionsstätten im Ausland zu umgehen,“ schätzt der VDMA ein. Der Mittelstand aber ist, der die deutsche Wirtschaft trägt: Mit 99 Prozent fallen die allermeisten Unternehmen in die Definition Mittelstand – branchenübergreifend. Bei durchschnittlich 161 Mitarbeitern pro Maschinenbaubetrieb lässt sich diese Zahl auch auf die Branche übertragen.
Wenn die Politik Unsicherheiten verstärkt
Wie der von vielen Briten gewünschte, aber nach wie vor absolut ungeklärte Austritt Großbritanniens aus der EU jahrzehntelange, enge Wirtschaftsbeziehungen torpediert und Warenflüsse von, nach und über das Vereinigte Königreich austrocknet, haben wir bereits im Herbst 2018 an dieser Stelle zusammengefasst. Das traurige Update heute ist Ihnen bekannt: Es ist nichts besser. Noch immer stehen alle Szenarios im Raum, von Neuwahl des Parlaments über einen No-Deal-Brexit bis zur schlimmsten aller „Lösungen“: weitere Querelen und Unsicherheiten. Im Falle des Brexits schadet inzwischen nicht mehr das Referendum selbst am meisten, sondern die anhaltende Planlosigkeit der Politik mit allen Folgen für die Unternehmen in Großbritannien, der EU und im Rest der Welt, die schon längst dazu übergehen mussten, sich selbst auf alle Eventualitäten einzustellen. Eine gute Wirtschaftspolitik aber ist dies nicht.
Weniger Investitionen und weniger Produktion
Vor allem diese „geopolitische Verwerfungen“ – Handelsstreit und drohende Strafzölle, Brexit sowie auch Krisenherde etwa im Nahen Osten – seien es, die der Branche nun auch eine verringerte Produktionsprognose einbringt. Mit minus zwei Prozent rechnet der VDMA, einige Unternehmen seien bereits in Kurzarbeit. Geht es an die Arbeitnehmer, geht es immer auch an die Konjunktur des ganzen Landes: Haben sie Angst um ihre Jobs, halten die Menschen ihr Geld strikter beisammen. Die Folge: weniger Kauflust, die sich sofort in den Zahlen des Handels oder der Freizeit- und Reisebranche niederschlägt. Auch Steuereinnahmen sinken, worunter der Staatshaushalt leidet.
Und: Zu dem Zeitpunkt, an dem die Bürgerinnen und Bürger beginnen zu sparen, tun Unternehmen dies längst. Schon jetzt verschieben sie wegen der anhaltenden Unsicherheiten wichtige Investitionen in Maschinen, IT-Infrastruktur und Know-how. Und verlieren damit im internationalen Vergleich noch schneller den festen Boden.
Der Domino-Effekt
Wie sich Branchen und Märkte untereinander beeinflussen, lässt sich eindrucksvoll am Beispiel der Automobilindustrie ablesen. Gar nicht retten kann sie sich vor Problemen, seit Jahren schon. Es begann mit dem Dieselgate, ging über in Rückrufaktionen und Strafzahlungen sowie strengere Vorschriften und Gesetze. Einige Länder wie China, Schweden oder die Niederlände wollen den Verkauf von Autos mit Verbrennungsmotor komplett verbieten. Der Innovationsdruck steigt an, übliche Entwicklungsprozesse und -zyklen werden komplett über den Haufen geworfen.
Zu allem Übel gesellt sich ein Typus Kunde, der selbst hohe Ansprüche an sein Auto stellt – und ebenfalls umweltfreundlichere Antriebsarten fordert. Oder gleich gar nicht mehr Auto fährt, weil seine Anforderungen an Mobilität nicht mehr mit in den letzten Jahren so üblichen und fest verankerten Individualverkehr zu erfüllen sind. Nun ist mit rund 30 Prozent die Automobilbranche jedoch der wichtigste Kunde des Maschinen- und Anlagenbaus. Und wenn dieser strauchelt, strauchelt der Lieferant auch.
Die Politik soll handeln
Anfang Juli forderte VDMA-Präsident Welcker nun ein ganzes Paket an Maßnahmen, das dringend angegangen werden sollte. Der Staat müsse sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren: innovations- und unternehmensfreundliche Rahmenbedingungen schaffen und eine international wettbewerbsfähige Infrastruktur bereitstellen. „Wir brauchen eine echte steuerliche Entlastung, wie andere Industrieländer sie längst durchgeführt haben. Wir brauchen mehr politischen Einsatz für offene Märkte und neue Freihandelsabkommen, insbesondere mit den USA. Der Staat muss die Infrastruktur – digital, aber auch für Verkehr und Energie – dringend modernisieren. Und wir müssen endlich die Bürokratielasten für die Betriebe spürbar verringern, damit wir mehr investieren können“, erläuterte Welcker.
Unser Rat
Eine handlungsfähige, sachorientierte und entscheidungsfähige Politik: Ja, dies ist vonnöten, um beispielsweise die Brexit-Frage verbindlich und für alle Beteiligten einigermaßen zufriedenstellend zu klären. Helfen würde sie auch bei der Beilegung von Handelskonflikten, und ohnehin bei der Auflösung einiger weltweiter Krisenherde. Und absolut notwendig ist sie für die Schaffung zentraler infrastruktureller Bedingungen: Eine leistungsfähige Industrie 4.0, um die die Maschinenbau-Branche seit Jahren ringt, lässt sich schlichtweg nur mit zeitgemäß schnellen Netzverbindungen schaffen. Die sind insbesondere im ländlichen Raum, in dem sich wiederum viele Familienbetriebe der Maschinenbau-Branche befinden, noch unzureichend.
Unsere Erfahrung ist aber auch, dass die Unternehmen besser durch Krisen und Stürme kommen, die für sich selbst vorsorgen. Die innovativ arbeiten, ihre Prozesse optimieren und die nicht nur ihre eigenen, sondern auch die Zahlen ihrer Wettbewerber, ihre Märkte und ihrer Branche im Blick haben. An dieser Stelle hilft ein Kreditversicherer. Sprechen Sie einen der im BARDO e.V. organisierten Makler an: Wir sind Spezialisten, kennen viele Branchen aus der Innen- und aus der Außensicht und beraten anbieterübergreifend und unabhängig.