EU-Zahlungsverzugsverordnung: Das 30-Tage-Zahlungsziel als weiteres europäisches Bürokratiemonster
Eine neue Zahlungsverzugsverordnung soll, so der Wille der EU-Kommission, Unternehmen schneller zu ihrem Geld verhelfen. Doch sie führt zu einem erheblichen Liquiditätsbedarf und mehr Bürokratie. Der BARDO e.V. bezieht Stellung.
Mit ihrem Vorschlag 2023/0323 (COD), veröffentlicht im Herbst 2023, hat die EU im Grunde nur Gutes im Sinne: Lieferanten sollen nicht mehr so lange auf die Begleichung ihrer Forderungen warten, Lieferketten sollen gestärkt und Insolvenzen verhindert werden. Gerade die kleineren und mittleren Unternehmen litten unter „Asymmetrien in der Verhandlungsmacht“ und müssten daher häufig viel zu lange auf ihr Geld warten. Sie sollen mit der Verordnung nun geschützt werden – und allein dies ist bereits umstritten: Anders als eine Richtlinie, die den Staaten bei der Umsetzung noch Spielraum für national erforderliche Anpassungen erlaubt, ist eine EU-Verordnung für alle Mitgliedsstaaten verpflichtend und tritt zu einem einheitlichen Datum in Kraft. Unabhängig davon, wie die Gepflogenheiten in einzelnen Regionen der EU sind, sollen für alle Unternehmen gleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen.
Die EU-Zahlungsverzugsverordnung soll unter anderem die Lieferketten sichern. Sie werde jedoch hohe Summen zusätzlicher Liquidität erfordern, warnen Experten.
Die Pläne der EU
Kommen wir zum Inhalt der Verordnung: Die bestehende Gesetzeslage sieht aktuell ein Standard-Zahlungsziel von 60 Tagen vor. Allerdings konnten die Vertragspartner auch längere Zahlungsziele vereinbaren. Mit der neuen Verordnung soll nun für Unternehmen der EU nur noch ein Zahlungsziel von maximal 30 Tagen erlaubt sein – überwacht von speziell eingerichteten Behörden in den einzelnen Ländern. Wird dennoch zu spät gezahlt, fallen – ebenfalls verpflichtend – saftige Mahngebühren und Strafzinsen an.
Für einige Unternehmen und Branchen mag die Begrenzung auf 30 Tage Zahlungsziel zunächst attraktiv wirken. Schließlich soll auch die Öffentliche Hand gesetzlich verpflichtet werden, schneller zu zahlen und insbesondere Bauabnahmen innerhalb von ebenfalls 30 Tagen durchzuführen. Dies schützt den Mittelstand. Die Nachteile zeigen sich aber im zweiten Schritt.
Der Bumerang: Hoher Liquiditätsbedarf und Wettbewerb aus dem Nicht-EU-Ausland
Die deutliche Verkürzung der Zahlungsziele wird viele Unternehmen dazu zwingen, umfangreiche Banklinien einzurichten. Leider ist es sehr gut vorstellbar, dass der Refinanzierungsbedarf der Europäischen Unternehmen, insbesondere der Konzerne, die Billionen Euro Grenze nur für die Reduzierung der Zahlungsziele auf 30 Tage überschreiten wird. Woher soll das Geld kommen, wenn die Banken angesichts der Wirtschaftslage ohnehin zurückhaltend sind? Einzelne Branchen wird es besonders hart treffen. Für die deutsche Textilindustrie mit ihren „Einheitszahlungsbedingungen“ von 60 Tagen wird sich das Zahlungsziel halbieren. Für die Lieferanten der deutschen Baumarktketten und die Automobilzulieferer, die oft auch mehr als 90 Tage Ziel gewähren müssen, kann das deutlich verkürzte Zahlungsziel zum Existenzrisiko werden. Hier kann die Umstellung der Zahlungsziele zu Insolvenzen innerhalb der Branche, auf Abnehmer- und Lieferantenseite, führen.
Da diese neue Regelung für die EU gelten soll, werden Lieferanten außerhalb dieses Einflussbereiches deutliche Wettbewerbsvorteile haben. Vermutlich freut sich nicht nur die Schweiz derzeit über dieses Vorhaben der EU, Schweizer Unternehmen werden EU-Unternehmen vermutlich mit Handkuss längere Zahlungsfristen einräumen. Die Beschaffung von Rohstoffen und Waren wird sich verlagern.
Das Fazit des BARDO
Der BARDO e.V. lehnt die geplante neue EU-Zahlungsverzugsverordnung im aktuellen Entwurf ab. Das Diktat eines Zahlungsziels von maximal 30 Tagen stellt einen unverhältnismäßigen Eingriff in die unternehmerische Freiheit jedes einzelnen Unternehmens dar und schwächt zudem den Wettbewerb in der EU. Eine externe Behörde mit der Überwachung der Zahlungsfristen zu beauftragen, bedeutet mehr Bürokratie für alle – dies setzt den Wirtschaftsstandort Europa zusätzlich unter Druck.
Wegen des großen Gegenwindes ist aus unserer Sicht aktuell nicht mit einem Beschluss der Zahlungsverzugsverordnung noch vor den nächsten Europawahlen zu rechnen. Dennoch wird eines Tages eine neue Verordnung kommen – und als Unternehmer sollten Sie darauf vorbereitet sein. Die Mitglieder des BARDO unterstützen Sie dabei gerne.