GDV: Massiver Anstieg an Zahlungsausfällen erwartet
Eine deutlich getrübte Stimmung zeigten die Vertreter des Gesamtverbands der Versicherer (GDV), Anja Käfer-Rohrbach und Thomas Langen, bei ihrer Jahrespressekonferenz: Man rechne für 2024 mit steigenden Insolvenzzahlen und Zahlungsausfällen.
Es sind die vielfältigen Anforderungen, die deutsche Unternehmen unter Druck setzen: hohe Energiekosten, sinkende Konsumbereitschaft und ein sich durch den demografischen Wandel weiter verschärfender Fachkräftemangel etwa. Viele Branchen müssten transformiert werden, was mit hohen Investitionskosten verbunden sei. „Angesichts der problematischen Haushaltslage in Deutschland ein sehr schwieriges Unterfangen“, fasst Anja Käfer-Rohrbach, stellvertretende GDV-Hauptgeschäftsführerin, ihren Einstieg in das jährliche Mediengespräch zusammen. „Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds hat das zuletzt noch einmal in aller Deutlichkeit klar gemacht.“
Viele Branchen, viele Schwierigkeiten
Das erfolgreiche Exportmodell Deutschland gerate wirtschaftlich immer mehr unter Druck: Mit billiger Energie hergestellte Produkte weltweit zu verkaufen, funktioniere nicht mehr, so Käfer-Rohrbach. Ein Problem, das energieintensive Branchen wie die Chemieindustrie kennen. Gleichzeitig führe die hohe Inflation bei nur langsam steigenden Löhnen zu einer Konsumzurückhaltung, die insbesondere der Groß- und Einzelhandel, die Transport- und die Papierbranche, das Gastgewerbe, zahlreiche Textilunternehmen und Modeeinzelhändler spüren. Selbst der seit zwei Jahrzehnten wachstumsverwöhnte Online-Handel ist betroffen. Andere Branchen wie die Automobilzulieferer kämpfen noch immer mit dem notwendigen technologischen Wandel hin zur E-Mobilität.
Bei sinkenden Absatzzahlen passen oft die Geschäftsmodelle nicht mehr. Diesen empfindlichen Punkt erläuterte im Anschluss auch der Vorsitzende der GDV-Kommission Kreditversicherung, Thomas Langen. Die Unternehmen, die es in den vergangenen Jahren nicht geschafft haben, ihr Geschäftsmodell an die neuen Marktbedingungen anzupassen, seien nun in Gefahr. Keine Staatsgelder und keine Aufhebung der Insolvenzpflicht wie zu Pandemie-Zeiten können ihnen gerade helfen. Im Gegenteil: Für viele Unternehmen seien die Stützen der Vergangenheit zum Bumerang geworden, manche müssen Rückzahlungen leisten.
Steigende Anzahl von Firmenpleiten
Somit muss man im nächsten Jahr mit deutlich mehr Forderungsausfällen rechnen. Angesichts anhaltend hoher Energie- und Materialpreise prognostizieren die Kreditversicherer für 2024 einen Anstieg der Insolvenzen um rund zehn Prozent. Bereits in diesem Jahr, 2023, dürfte die Zahl der Firmenpleiten um 20 bis 25 Prozent auf 17.400 bis 18.200 angezogen haben.
Thomas Langen ordnet die Insolvenzzahlen ein: Noch liegen sie auf einem deutlich niedrigeren Niveau als zur Bankenkrise. Dennoch werden Unternehmen aufgeben müssen – und dabei trifft es nun auch bislang unauffällige Sektoren. Immer mehr Krankenhäuser schreiben Verluste, mehr als 30 meldeten nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft in den vergangenen zwölf Monaten Insolvenz an.
„Schon ein einziger Zahlungsausfall kann oft verheerende Folgen für die Liquidität haben und bis zur eigenen Folgeinsolvenz führen, gerade bei der momentan schwachen Nachfrage“, unterstrich Langen den Ernst der Lage. Die Kreditversicherer sähen sich an dieser Stelle in ihrer Verantwortung, schließlich gehöre die Absicherung des Zahlungsausfallsrisikos zum Kern ihrer Arbeit. Im Jahr 2023 haben die Versicherer ihre Deckungszusagen auf die Rekordsumme von 587 Milliarden Euro erhöht, um Handelsgeschäfte möglich zu machen.
Mehr Schäden bereits 2023
Schon in diesem Jahr klagten Unternehmen aller Branchen über schlechtere Zahlungserfahrungen, einen eingeschränkten Zugang zu Krediten und höhere Kosten. Auch das Weihnachtsgeschäft bleibt derzeit unter den Erwartungen. Die meisten Unternehmensinsolvenzen zählten die Kreditversicherer 2023 in der Baubranche, im Dienstleistungssektor und im Handel.
Die Schäden, für die die Versicherer in diesem Jahr einstehen, beziffert Langen auf 403 Millionen Euro (Kreditversicherung, plus 35 Prozent) und 615 Millionen Euro (Kautionsversicherung, plus 80 Prozent). Hinzu kommen, hier immerhin ein Rückgang von 5 Prozent, 185 Millionen Euro Schäden im Bereich der Vertrauensschadenversicherung. Langen schränkt jedoch ein, dass hier im nächsten Jahr zunächst wieder mit einer Steigerung zu rechnen sei: Mit Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes werden wohl mehr Fälle ans Licht kommen. Langfristig wird das Gesetz Schäden verhindern können.
Kritik übte Thomas Langen an der von der EU geplanten Zahlungsverzugsverordnung: Bei einer verbindlichen Zahlungsfrist von 30 Tagen für alle EU-Unternehmen und ebenfalls verpflichtenden hohen Strafzinsen werden Unternehmen nicht nur in ihrer Flexibilität und Freiheit eingeschränkt. Sie werden auch einen enorm hohen Liquiditätsbedarf abdecken müssen – und vielfach nicht können. Sollte diese Verordnung umgesetzt werden, ist mit weiteren Insolvenzen und damit verbunden auch Arbeitsplatzverlusten zu rechnen. Die Kreditversicherer sprechen sich klar für eine Beibehaltung der Zahlungsverzugsrichtlinie aus.
Abschließend zeigte sich Langen stellvertretend für seine GDV-Kommission unsicher darüber, ob die aktuelle konjunkturelle Schwächephase im nächsten Jahr beendet sein wird. Zumindest das Gastgewerbe werde mit der Mehrwertsteuererhöhung und die Baubranche mit weiterhin hohen Materialkosten, schwacher Nachfrage und teuren Krediten zu kämpfen haben.
Unser Fazit
Es sind trübe Aussichten für das neue Jahr, die die Versicherer uns mitteilen. Liquidität wird für alle Unternehmen und in allen Branchen die wichtigste Säule im nächsten Jahr sein. Einmal mehr gilt es, Risiken früh zu erkennen und drohende Forderungsausfälle und -verzögerungen zu vermeiden und abzusichern. Eine Warenkreditversicherung hilft bereits bei der Geschäftsanbahnung und springt im Ernstfall ein. Prüfen Sie regelmäßig die Vertragsbedingungen Ihrer Police – ein Fachmakler hilft Ihnen dabei. Auf äußere Faktoren – Kostensteigerungen und Konsumzurückhaltung – kann aus Unternehmenssicht nur reagiert werden.
Factoring sorgt zusätzlich für sofortige Liquidität. Dringend notwendige Investitionen lassen sich wiederum mit einer Kautionsversicherung unterstützen. Insbesondere Bauunternehmen sollten sich dahingehend beraten lassen. Langen empfahl dieser Branche jedoch auch, sich neue Betätigungsfelder zu suchen – beispielsweise Gebäudesanierungen, Solarinstallationen oder Arbeiten an der öffentlichen Infrastruktur wie dem Straßenbau.
Wir raten Unternehmen weiterhin, sich vertrauensvoll an ihren Kreditversicherungsmakler zu wenden. Als Fachleute, die täglich mit Unternehmen und Versicherern zusammenarbeiten, wissen wir genau, welche Elemente in jede zeitgemäße Police gehören, achten gemeinsam mit Ihnen auf die Einhaltung der Obliegenheiten und unterstützen Sie im Schadenfall.
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