GDV: Zahllose Krisen gleichzeitig
Eine unvergleichbar komplexe Situation aus Ukraine-Krieg, Inflation, steigenden Finanzierungskosten und weiter angespannten Lieferketten belaste die deutsche Wirtschaft, fasste Thomas Langen, Vorsitzender der Kommission Kreditversicherung im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), beim Jahresmediengespräch der Kreditversicherer zusammen. Die Versicherer blicken dennoch positiv in das neue Jahr.
Mehr Zahlungsausfälle, höhere Schäden, mehr Insolvenzen: Die deutsche Wirtschaft muss sich weiter auf schwierige Bedingungen einstellen. Thomas Langen leitet die jährliche Pressekonferenz des GDV mit einer Bestandsaufnahme ein. Er spricht vom Krieg in der Ukraine, von politischen Konflikten wie zwischen China und Taiwan, vom nötigen Strukturwandel mancher Branchen und der nötigen Dekarbonisierung der Wirtschaft, von instabilen Lieferketten und von Fachkräftemangel, gestiegenen Preisen auf dem Weltmarkt und teuren Kreditzinsen, Wirtschaftskriminalität und Rohstoffmangel – und vielen anderen Herausforderungen, die für sich genommen bereits kritisch sind. Zurzeit jedoch überlagern sich diese Krisen, fasst Langen zusammen, „ihre Effekte verstärken sich gegenseitig“.
Erneut höhere Deckungssummen: Die Versicherer stehen zu ihrem Wort.
700 Millionen Euro Schäden
Das Geflecht, das Langen beschreibt, kennen Unternehmen spätestens seit dem Frühjahr 2022. Insbesondere die steigenden Kosten für Gas brachten nicht nur in die energieintensiven Unternehmen an den Rand ihrer Wirtschaftlichkeit (und darüber hinaus). Dementsprechend beziffert Langen einen Anstieg der von Kreditversicherungen und Kautionsversicherungen beglichenen Schäden um knapp 50 Prozent auf satte 700 Millionen Euro.
Betroffen sind unter anderem die für die deutsche Wirtschaft so zentrale Branchen wie die Stahlindustrie, die chemische Industrie und auch die Automobilindustrie. Sie stehen unter Druck – und müssten doch eigentlich in ihren eigenen Wandel investieren. Auch die Bauindustrie kann trotz Bedarf an Wohnraum nicht wie gewünscht agieren: Seit dem Zinsanstieg zogen viele Bauherren bereits Projektvorhaben zurück, bezüglich Kosten und Lieferbarkeit kaum kalkulierbares Baumaterial schreckt sie zusätzlich ab.
In allen Bereichen stiegen die Schadenssummen um durchschnittlich 47 Prozent.
Insolvenzen, aber keine Welle
„Die finanzielle Stabilität ist schnell gefährdet“, führt Langen weiter und kommt auf die Insolvenzprognose zu sprechen. Wahrscheinlich müsse man mit einem 15 %-igen Anstieg der Insolvenzen rechnen. „Das klingt erst einmal negativ“, erklärt Langen. „Aber vergessen Sie nicht, dass wir von einem historisch niedrigen Wert kommen.“ Das Feld werde nun gelichtet, so Langen. Würden Insolvenzen etwa durch günstige Kredite oder staatliche Zahlungen herausgezögert, schade dies allen. Schadenssummen würden steigen, und auch bei den Gläubigern dieser sogenannten Zombie-Unternehmen seien letztlich Arbeitsplätze gefährdet. Vor diesem Hintergrund sei ein Anstieg der Insolvenzen kein Horrorszenario, sondern natürlicher und notwendiger Bestandteil einer funktionierenden Wirtschaft. Aus Sicht der Kreditversicherer ist zudem zwar mit mehr Insolvenzen, aber mit keiner Insolvenzwelle zu rechnen.
Dennoch: Über alle Branchen und Unternehmensgrößen hinweg sei mit steigenden Zahlungsausfällen und -verzögerungen zu rechnen. Wie können Unternehmen sich schützen, und was tun die Versicherer? Insgesamt seien die Risiken laut des GDV zwar sehr komplex, aber beherrschbar – anders als etwa zu Beginn der Corona-Pandemie. Es erfordere jedoch einen gezielten Blick: Das langjährige Wissen über Abnehmerländer und Branchen helfe den Versicherern, zusätzlich müssen sie laut Langen jedoch „tiefer graben“. Es gehe um die individuellen Stärken eines jeden Unternehmens. Die Versicherer schätzen die Bonität von Unternehmen – und ihre Risiken – permanent neu ein. Dies sei zwar sehr aufwendig, aber zum Vorteil ihrer Kunden. Die Versicherer, bekräftigt Langen, werden ihr Versprechen einhalten und vor Schäden bewahren. Im Jahr 2022 decken die deutschen Kreditversicherer mit 588 Milliarden Euro höhere Ausfallrisiken als je zuvor, davon entfallen 78 Milliarden Euro für Kautionsversicherungen, mit denen die Versicherer Bürgschaften und Garantien zur Verfügung stellen.
Achtung, Wirtschaftskriminalität
In ökonomischen Drucksituationen steige immer die Wirtschaftskriminalität, kommt Thomas Langen im Anschluss auf ein von Jahr zu Jahr wachsendes Problem zu sprechen. Neben den Angriffen durch Dritte – etwa Hacker, die Daten erpressen wollen oder Betrüger, die sich als CEO ausgeben – müssen Unternehmen auch wieder verstärkt mit Diebstahl durch eigene Mitarbeiter rechnen. Zudem werde ein neues Gesetz – das Hinweisgeber-Schutzgesetz – kurzfristig für mehr Schäden führen. Mit dessen Einführung sollen Mitarbeiter leichter vertraulich auf Straftaten im Unternehmen hinweisen können. Schon wegen seiner abschreckenden Wirkung ist das Gesetz grundsätzlich zu befürworten, zunächst wird aber natürlich mehr aufgedeckt und damit als Schaden bei den Versicherern auflaufen.
Unser Rat
Die Pandemie hat der Wirtschaft bereits zugesetzt, und nun hat sich die Lage noch verschärft. Besonders die Liquidität macht vielen Unternehmen Schwierigkeiten: Auf der einen Seite drücken Kostensteigerungen auf das Ergebnis, auf der anderen Seite sinken etwa wegen Rohstoff- und Bauteilemangel oder der Kaufzurückhaltung der Menschen die Chancen, Geld zu verdienen. Kredite sind zu teuer, um die dringend notwendigen Investitionen voranzutreiben.
Es gilt also zum einen, Forderungsausfälle und -verzögerungen zu vermeiden. Sichern Sie Ihre Liquidität. Achten sie darauf, dass Ihre Lieferungen und Leistungen pünktlich von Gläubigern bezahlt werden. Eine Warenkreditversicherung hilft Ihnen Ihr Debitorenrisiko einzuschätzen und abzusichern. Überprüfen Sie regelmäßig die Rahmenbedingungen Ihrer Kreditversicherungslösung. Gerade in Zeiten von Lieferkettenproblemen und explodierenden Materialkosten müssen Sie darauf achten, dass alle Forderungen abgesichert bleiben. Factoring sorgt zusätzlich für sofortige Liquidität.
Eine Kautionsversicherung wiederum sollten sich insbesondere Unternehmen der Baubranche ansehen: „Kautionen ermöglichen Investionsvorhaben“, erklärt (auch) Langen. Und er ergänzt, dass der Wettbewerb in dieser Branche sich intensivieren wird. Noch seien die Auftragsbücher gefüllt, es sei aber bereits an der sinkenden Zahl der Baugenehmigungen ablesbar, dass sich viele Bauunternehmen künftig nach neuen Aufgaben umsehen müssten.
Zum anderen empfehlen wir Unternehmen, selbst aktiv zu werden: Erhöhen Sie Ihre Vorkehrungen, sprechen Sie regelmäßig mit Ihrem Kreditversicherungsmakler, um die Rahmenbedingungen der Kreditversicherung auf Ihre aktuellen Bedürfnisse anzupassen. Achten Sie penibel auf Ihre Obliegenheiten in der WKV und überprüfen Sie, ob Ihr Eigentumsvorbehalt richtig vereinbart ist. Ein unabhängiger Makler für Kreditversicherung, Factoring und Bürgschaften wird Sie in diesen unruhigen und herausfordernden Zeiten begleiten und lotsen.
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