Kauf, Kunde, kauf: Wie der Einzelhandel um Umsätze kämpft
Des einen Freud, des anderen Leid: Unter dieser alten Weisheit lässt sich die Lage des Einzelhandels getrost auf den Punkt bringen. Denn Umsatzanteile gewinnen vorrangig Online-Händler wie Otto und Amazon, während etwa C&A – über Jahrzehnte Platzhirsch europäischer Fußgängerzonen – Filialschließungen ankündigte.
100 Milliarden Euro schwer war das vergangene Weihnachtsgeschäft innerhalb Deutschlands, ein Plus von drei Prozent, und ein neuer Rekord. Dennoch zeigten sich viele Händler enttäuscht. Die unmittelbar vor dem Weihnachtsgeschäft auf allen Kanälen – online wie offline – beworbene Cyber Week mit Black Friday und Cyber Monday hatte offenbar hohe Umsatzanteile abgegraben. Viele Konsumenten nahmen die Rabattschlachten der Cyber Week zum Anlass, sich bereits Ende November um ihre ohnehin geplanten Weihnachtsgeschenke zu kümmern. Statt eines erhofften Umsatzplus‘ erzielte man nur eine Umsatzverlagerung.
Wenn die Städte nicht mehr einladen
Und: Statt die Cyberweek zum Anlass zu nehmen, mal wieder durch ihre Innenstadt zu bummeln, bestellten erneut mehr Kunden die gewünschten Spielkonsolen und Bücher, Parfumflakons und Bluetooth-Boxen im Online-Shop ihrer Wahl. Die Kundenfrequenz in den Fußgängerzonen hingegen? Blieb an den einst starken Adventssamstagen deutlich hinter den Erwartungen zurück. Der Handelsverband Deutschland (HDE) forderte daher nun Politik und Gesellschaft auf, sich stärker „für lebenswerte Stadtzentren“ einzusetzen. Zahlen des Handelsforschungsinstituts IFH Köln zufolge habe sich allein in den vergangenen fünf Jahren die Zahl der Standorte im deutschen Einzelhandel um rund 29.000 verringert, so der HDE in seinem Schreiben.
Als Ursache für diese Entwicklung machte man seit Jahren die Digitalisierung verantwortlich – eine recht neblige Erklärung, die wenig Ansatzpunkte bot. Umso erfreulicher, dass der HDE nun in elf Punkten konkrete Wünsche an die Politik richtet, beispielsweise die bessere Erreichbarkeit der Stadtzentren oder eine angenehme Atmosphäre durch kulturelle Events. Erschweren gerade in der Weihnachtszeit stauanfällige Baustellen die Anreise – wie dies etwa in Dortmund der Fall war –, scheuen viele Kunden den Weg in die City. Städte mit einem attraktiven Weihnachtsmarkt hingegen – Aachen, Monschau oder Brühl – freuten sich laut WDR dagegen über Zuwächse. Außerdem sollen die Kommunen das Reizthema Leerstand sowie die teilweise absurd hohen Ladenmieten angehen.
Wenn der Online-Handel Umsätze abzieht
Und natürlich ist es dennoch auch die Digitalisierung, die dem stationären Handel zu schaffen macht. Jedes Geschenk kann nur einmal angeschafft, jeder Euro nur einmal ausgegeben werden. Der „Online-Handel wächst ungebremst weiter“, titelt die Süddeutsche Zeitung und verweist auf eine Berechnung des Bundesverband E-Commerce und Versandhandel, nach der die Deutschen im Jahr 2019 für 94 Milliarden Euro Waren und Dienstleistungen online bestellten – plus 10 Prozent gegenüber Vorjahr. In diesem Jahr erwarte man einen Durchbruch zur 100-Milliarden-Euro-Marke. Die Menschen bestellen häufiger online, sie nutzen verstärkt mobile Geräte und sie seien trotz Bedenken bezüglich ökologischer oder sozialer Komponenten (etwa fehlende Nachhaltigkeit, der fragliche Verbleib von Retouren oder die geringe Bezahlung von Paketboten) zudem mit dem Online-Shopping (sehr) zufrieden.
Wie wenig Imageprobleme den Umsatz beeinträchtigen können, sieht man auch am Beispiel Amazon: Obwohl die Kritik seit Jahren nicht abflaut und es hierzulande in den vergangenen Jahren wiederholt zu Negativschlagzeilen kam, habe Amazon laut Gründer Jeff Bezos ein überaus erfolgreiches Weihnachtsgeschäft hingelegt. Die Kunden des weltgrößten Onlinehändlers sollen „auf Rekordniveau“ eingekauft haben. Auch das in Hamburg ansässige Traditionshaus Otto meldete das bislang erfolgreichste Weihnachtsgeschäft – siebzig Jahre nach seiner Gründung. In Spitzenzeiten zählte man bis zu 20 Bestellungen pro Sekunde im Online-Shop. Können Sie sich das bei C&A vorstellen?
Wenn der Wettbewerbsdruck steigt
Überhaupt: der Textileinzelhandel. Wegen des warmen Winters fühlten sich zu wenige Kunden dazu ambitioniert, Mäntel und Stiefel zu kaufen. Infolgedessen blieben die Lager voll – nicht nur bei C&A, sondern in so gut wie allen Modehäusern. Seit einigen Jahren bereits leidet der Textileinzelhandel unter sinkenden Absätzen. Die Konkurrenz durch den Online-Handel ist jedoch nur ein Problem von vielen. Einige Hersteller etwa scheinen den Bedarf und Geschmack ihrer Kundinnen und Kunden aus dem Blick verloren zu haben, andere zerreiben sich durch zu schnelle Kollektionswechsel oder können die hohen Filialmieten in den besten Innenstadtlagen kaum schultern.
Und während sich andere Märkte bereinigen – sprich, Anbieter aufgeben –, wollen im Bekleidungsgeschäft immer mehr Unternehmen ein Stückchen vom Kuchen abhaben: Lebensmittel-Discounter und Kaffeehändler bringen seit Jahren eigene Kleidungskollektionen auf den Markt und gänzlich neue Marktteilnehmer wie Primark oder TK Maxx begannen, die Kunden mit Rabatten zu locken. Online-Händler wie About You oder Zalando sind in dieser Gemengelage nur eine weitere Baustelle. MIt Escada, K&L, Strenesse, Strauss Innovation oder Gerry Weber mussten bereits einige traditionsreiche Marken in die Insolvenz gehen, andere wie Esprit, S. Oliver oder Tom Tailor kämpfen nach wie vor gegen den hohen Wettbewerbsdruck in dieser Branche. (Lesenswert ist an dieser Stelle ein Artikel der Stuttgarter Zeitung.)
Wenn die Kunden nicht mehr treu sind
So wie es dem Textileinzelhandel ergeht, kann es alle Branchen treffen: Kunden zeigen sich heutzutage zunehmend sprunghaft. Sie geben ihr Geld dann aus, wann sie es wollen – auch mitten in der Nacht per Smartphone. Und an wen sie wollen – auch an den noch unbekannten Modehändler, der aber durch attraktive Produkte, überzeugende Werbung oder niedrige Preise die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Einer Nielsen-Studie zufolge ist ein Drittel aller Konsumenten in Deutschland neuen Marken gegenüber sehr aufgeschlossen. Nur jeder zehnte Deutsche dagegen sei ein treuer Verbraucher. Darauf müssen sich alle Branchen einstellen.
Denken Sie doch mal an den Haferflockenbrei, der seit kurzer Zeit sein Revival als „Oatmeal“ feiert: Gesundheitsbewusste Konsumenten bestellen nun Fertighaferflockenmischungen von international agierenden Anbietern im Internet, anstatt für einen Bruchteil des Preises eine Tüte Haferflocken im Supermarkt um die Ecke zu kaufen. Konsumentenverhalten ist nicht immer logisch – ein verpasstes Geschäft aber immer schmerzhaft.
Wenn die Konjunktur schwächelt
Wir sagten es bereits: Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden. Was wird, wenn das verfügbare Budget spürbar niedriger wird? Oder wenn die Menschen zwar noch genügend Geld haben, wegen schlechter Konjunkturaussichten aber ihre Kauflust verlieren? Während Nielsen sich noch optimistisch zeigt, bescheinigt der HDE den Deutschen in seinem aktuellen Konsumbarometer bereits eine negative Verbraucherstimmung „auf einem neuen Tiefststand“. Durchaus nachvollziehbar liege dies an sinkenden Einkommenserwartungen. Zwar sei die Lage auf dem Arbeitsmarkt weiterhin gut, allerdings „zeigen sich immer mehr Verbraucher von Ankündigungen zum Stellenabbau bei großen Unternehmen beeindruckt“.
Unser Fazit
Eines ist klar: Jeder Händler, ob online oder offline, muss seine Hausausgaben machen. An zentraler Position steht dabei der Kunde – je besser ein Produkt dessen Bedürfnisse erfüllt, desto besser wird es sich absetzen. Begleitend dazu müssen die Services stimmen. Online-Händler sollten ihren Kunden eine effektive, verlässliche Logistik gerade auf der sogenannten letzten Meile bieten – und damit näher in die Offline-Welt rücken. Und der stationäre Handel sollte sich weiter für digital getriebene Angebote wie Click & Collect öffnen, das Kunden das Bestellen online und Abholen offline ermöglicht.
Und die Zulieferer und Geschäftspartner? Sollten wachsam bleiben. Unter den aktuellen Konjunkturaussichten können wir nicht von einer Besserung der Lage ausgehen, sondern müssen mit einem sich weiter erhöhenden Druck auf einzelne Marktteilnehmer rechnen. Diese erhöhte Aufmerksamkeit empfehlen wir sämtlichen Branchen, deren Produkte sich an Verbraucher richten, Herstellern, Händlern, Partnern und Dienstleistern, darunter auch dem Immobilienbesitzer der Ladenlokale vermietet oder dem IT-Dienstleister, der die Logistiksoftware bereitstellt.
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